
Im Gemeindezentrum „MagMa“ in Wattenscheid-Höntrop entfachte sich eine lebhafte Diskussion. Etwa 30 Teilnehmer lauschten den Ausführungen vom prominent besetzen Podium mit Serdar Yüksel (SPD), Landtagsabgeordneter für Bochum, Prof. Dr. Werner Schönig, Professor für Sozialökonomie und Konzepte Sozialer Arbeit an der Katholischen Hochschule NRW Abt. Köln, Dolf Mehring, Leiter des Jugendamtes Bochum und Reinlinde Steinhofer vom Kolping-Landesverband NRW. Moderiert wurde der Abend von Andreas Scholten aus dem Bischöflichen Jugendamt Essen.
Deutlich wurde zunächst, dass zwar Kinderarmut und die Armut von Erwachsenen stark erforscht sind, aber die Armut von Jugendlichen noch kaum betrachtet wurde. „Während in der Fachdebatte klar ist, dass Kinder nicht für ihre Armut verantwortlich sind und bei Erwachsenen die Armut auch durch problematisches Konsumverhalten entstehen kann, wird bei Jugendlichen oftmals unterschätzt, dass sie die in Armut lebende Familie zusammen halten, am Funktionieren halten, aufgrund der zuweilen entstehenden Lethargie der Eltern die jüngeren Geschwister versorgen etc. Sie versuchen in die Familie oftmals ein Stück Normalität zu bringen“, erklärte Prof. Dr. Werner Schönig von der Katholischen Hochschule NRW aus Köln.
Armut ist aber nicht gleichzusetzen mit mangelnder Bildung, sondern kann sehr individuelle Ursachen haben: Die Arbeitslosigkeit der Eltern, die Veränderung der Arbeitsmarktsituation in den vergangenen Jahrzehnten sind inzwischen sehr gewichtige Gründe. „Auch eine gute Ausbildung schützt heute nicht mehr unbedingt vor Armut, zumal in manchen Branchen das Lohndumping weiter fortschreitet. Damit von einer Vollzeitberufstätigkeit auch gelebt werden kann, bin ich für die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen“, betont Reinlinde Steinhofer vom Kolping-Landesverband NRW.
Eine weitere wichtige Quintessenz war die Erkenntnis, dass die Prävention, trotz knapper Haushaltskassen in den Kommunen und im Land, weiterhin gefördert werden muss. „Die Inobhutnahme eines Kindes und die stationäre Aufnahme in eine Wohngruppe kostet pro Kind und Jugendlichen ca. 75.000 Euro pro Jahr. In Prävention zu investieren, ist weitaus günstiger und langfristig sinnvoller“, rechnete der Wattenscheider SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel vor.
Der Bochumer Jugendamtsleiter Dolf Mehring: „Sozialräumliche Jugendhilfeangebote sind dabei zwar kein Allheilmittel, aber es ist wichtig für die Sozialarbeit, nah bei den Menschen zu sein“, und unterstrich, wie wichtig der Präventionsgedanke ist, auch um, volkswirtschaftlich gesehen, Kosten für den späteren Reparaturbetrieb „Hilfen zur Erziehung“ zu sparen.
Dass Bildung und Armut nicht zwangsläufig einhergehen, zeigt ja auch, dass es durchaus Jugendliche aus deprivierten Familien gibt, die Bildungserfolge vorweisen. Nichtsdestotrotz war sich das Publikum einig, dass es wichtig ist, auch für die Jugendlichen, die aus bildungsferneren Schichten kommen und von zu Hause aus nicht die Möglichkeit haben, gefördert zu werden, Angebote vorzuhalten, die ihnen Sinn geben und sie weiterbringen und ihre Kompetenzen ausbauen.
„Dies können zum einen natürlich Maßnahmen der Jugendberufshilfe sein, aber auch ein subventionierter sozial-integrativer Arbeitsmarkt, kann eine Möglichkeit sein, nicht nur Arbeitslosigkeitsstatistiken zu schönen, sondern vielmehr den Jugendlichen einen Sinn für ihr Leben zu geben und die Faustregel der Hartz IV-Reformen „Fördern und Fordern“ Realität werden zu lassen – auf beiden Seiten der Medaille. Eine finanzielle Alimentierung ist wichtig, kann aber nicht alles sein“, zieht Projektreferent Marcel Simon ein Fazit der Veranstaltung.