Wir brauchen ein Bündnis zwischen dem Ruhrgebiet und der Lausitz – Polittalk in der Bochumer Synagoge am 3. Juli

„Ich bin hier, um für Solidarität und Miteinander zu werben. Wir brauchen ein Bündnis zwischen dem Ruhrgebiet und der Lausitz, um entschlossen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus vorzugehen“, so die sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration Petra Köpping. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Serdar Yüksel und Guntram Schneider, dem früheren Landesminister für Arbeit, Integration und Soziales, diskutierte sie am Dienstagabend in der Bochumer Synagoge über den wachsenden Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland. Durch den Polittalk führte der Moderator Martin von Berswordt-Wallrabe. Der Vorsitzende der SPD Bochum und Landtagsabgeordnete Prof. Dr. Karsten Rudolph stellte in seinem Grußwort klar, wie wichtig es vor dem Hintergrund der aktuellen Angriffe gegen jüdische Kinder und Jugendliche und der verbalen Entgleisungen rechter Gruppierungen ist, auf politischer Ebene über Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu sprechen. In der öffentlichen Diskussion wird diese zumeist als ostdeutsches Phänomen dargestellt: die Ostdeutschen seien nicht richtig angekommen, und nur mühsam in die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Westens zu integrieren, so gängige Vorurteile.

„Ostdeutsche sind auch Migranten“

Zu diesem Schluss kommt die Migrationsforscherin Naika Foroutan, deren Studie die Staatsministerin zum Anlass nimmt, um in ihrem Eingangsvortrag mögliche Ursachen für den Erfolg der AfD und von Pegida in Ostdeutschland zu ergründen. Petra Köpping ist sich sicher, dass die persönlichen Demütigungen und Misserfolge nach der Wiedervereinigung bei vielen Menschen in Ostdeutschland zu rechten Gedankenmustern geführt haben. Der wirtschaftliche Einbruch, das Abwandern vieler junger und qualifizierter Menschen in den Westen und der totale Umbruch der Gesellschaft hätten nicht nur bei sog. „Wendeverlierern“ Fremdenhass und antidemokratisches Denken freigesetzt, so die Staatsministerin. Es sei daher unerlässlich, dass sich die Politik – allen voran die SPD – mit den individuellen Schicksalen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetze. „Küchentischgespräche“ sind dabei nur eines von vielen Formaten, das die sächsische SPD etabliert hat, um mit den Menschen vor Ort zu sprechen.

Serdar Yüksel, der Ende 2016 selbst in Sachsen unterwegs war, um die Stimmung vor Ort einzufangen, kennt Petra Köpping bereits von einer gemeinsamen Jordanienreise, bei der es insbesondere um die Situation der Geflüchteten ging. Der Landtagsabgeordnete stimmt ihr in der anschließenden Diskussion zu, dass die Ost-West-Verständigung im Zentrum der politischen Arbeit stehen muss: „Wir reden zu wenig miteinander, sondern nur übereinander!“ Yüksel ist zudem besorgt, dass der öffentliche Diskurs mehr und mehr aus den Fugen gerät und Anstand und Respekt einem Klima der Diffamierung und Ausgrenzung weichen.

„Wir müssen als Sozialdemokratinnen und –demokraten die Probleme der Menschen vehement angehen. Es geht um einen gerechteren Sozialstaat, um Arbeit, Gesundheit und gute Lebensbedingungen für alle“, bekräftigt Guntram Schneider. Bildung allein sei nicht der Schlüssel zu einem offenen und toleranten Miteinander. In einer Gesellschaft, in der Tabus gefallen sind und die Grenzen des Sagbaren verschoben wurden, mangle es auch an Verantwortung und Gesinnung, so der Landesminister a.D.

 

Im anschließenden Publikumsgespräch ging es auch um konkrete Maßnahmen und die Frage, wie sich die Zivilgesellschaft und Politik gegen rechte Kräfte und Meinungen durchsetzen können. Die Anwesenden im Saal und auf dem Podium waren sich einig, dass es mehr Zusammenarbeit und Miteinander braucht. Serdar Yüksel griff genau dies in seiner Schlussbetrachtung auf und schlug einen erneuten Gegenbesuch in Sachsen vor: „Wir müssen nah bei den Menschen sein und mit ihnen sprechen. Nur so können wir sie verstehen und ihre Anliegen in die Landes- und Bundespolitik tragen. Das muss unsere Kernaufgabe als Parlamentarier sein.“